Tipps zu Aufsätzen 4 10. Jahrgangsstufe 4 Dialektische Erörterung 4 Beispiel

 

  Dialektische Erörterung - Beispiel
   
  Beispiel und Bild mit freundlicher Genehmigung des Autors aus: von der Heyde Hartmut, Aufsatz 9./10. Klasse, Stark Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Freising 1998, Auflage 2008, Seite 134 mit dazugehöriger Lösung von Seite 232 - 237.
   
  Aufgabe: Schreibe eine vollständige Erörterung zu folgendem Thema: Führerschein schon mit 16?
     
    Mögliche Lösung
     
      Stoffsammlung in Stichpunkten:
        1 hohe Kosten für die Eltern
        2 Jugendliche sind beweglicher
        3 hohe Unfallhäufigkeit bei Jugendlichen
        4 nicht jeder bekommt von den Eltern ein Auto
        5 größere Sicherheit als auf einem Zweirad
        6 ein Auto ist in der Familie sowieso vorhanden
        7 größere Selbstständigkeit der Jugendlichen durch Führerscheinbesitz
        8 durch die hohen Kosten muss zusätzlich gejobbt werden
        9 frühzeitiges Trainieren der Teilnahme am Straßenverkehr ist nützlich
        10 Angeberei mit Autobesitz und Fahrkünsten
        11 Rasereien und leichtsinniges Verhalten durch Gruppenzwang
        12 Unabhängigkeit
        13 Zeitersparnis durch ein Auto
        14 Abhängigkeit von den Eltern, die alles bezahlen müssen
        15 Spannungen im Freundeskreis, wenn einige schon den Führerschein und ein Auto haben
        16 den Führerschein braucht man sowieso - keine Kosten für „unnütze" Scheine und Fahrzeuge
        17 Bequemlichkeit
           
        Auf der Pro-Seite lassen sich folgende Stichpunkte zusammenstellen:
        Aspekt Sicherheit im Straßenverkehr (Stichpunkte 5, 9)
        Aspekt Beweglichkeit und Selbstständigkeit (Stichpunkte 2, 7, 12, 13, 17)
        Aspekt mäßiger Kostenaufwand (Stichpunkte 6, 16)
           
       

Auf der Kontra-Seite lassen sich folgende Stichpunkte zusammenstellen:

       

Aspekt Kosten (Stichpunkte 1, 8 )

       

Aspekt Risiken im Straßenverkehr (Stichpunkte 3, 11)

       

Aspekt Störungen sozialer Kontakte (Stichpunkte 4, 10, 14, 15)

           
     

Gliederung

       

Demnach wäre folgende Gliederung nach Argumenten möglich:

       

hohe Führerschein- und nachfolgende Autokosten sowie daraus resultierende zusätzliche Arbeitsbelastungen (Kontra)

       

Quelle von Spannungen und Störungen in sozialen Beziehungen (Kontra)

       

neues hohes Risiko im Straßenverkehr (Kontra)

       

nur mäßiger Kostenaufwand für Führerschein und Auto (Pro)

       

größere Sicherheit im Straßenverkehr (Pro)

       

größere Beweglichkeit und Selbstständigkeit der Jugendlichen (Pro)

           
     

Einleitung

        In manchen anderen Ländern wie etwa den USA ist es schon selbstverständlich, mit 16 Jahren einen Führerschein zu besitzen, und auch hierzulande wird inzwischen diskutiert, ob eine solche veränderte Regelung sinnvoll ist. Natürlich sind die betroffenen Jugendlichen zum größten Teil begeistert, wenn sie sich die Möglichkeiten ausmalen, die eine Fahrerlaubnis schon mit 16 mit sich brächte, aber es gibt auch eine Reihe von Gegenstimmen. Nicht nur die Eltern, die möglicherweise vermehrte auf sie zukommende Kosten fürchten, sind besorgt. Auch viele Verkehrsteilnehmer erschrecken beim Gedanken an einen gefährlichen Ansturm leichtsinniger jugendlicher Fahrer auf den Straßen.
        Sind diese Sorgen aber berechtigt? Sind die Nachteile eines Führerscheins mit 16 wirklich groß oder sprechen neben der Begeisterung der Jugendlichen noch andere Gesichtspunkte für eine Änderung der bisherigen Regelung?
        Zur Untersuchung dieser Fragestellung sollen einige Argumente vorgestellt und abgewogen werden.
         
     

Hauptteil

        Ein wichtiges Argument gegen die Vorverlegung des Führerscheinalters ist das damit verbundene Kostenproblem. Da ist zuerst einmal der Führerschein selbst, der hohe Kosten verursacht. Wenn man Fahrstunden, Unterrichtsmaterial und Prüfungsgebühren zusammenrechnet, kommt leicht eine Summe heraus, die 1 500 Euro übersteigen kann. Da der 16-jährige Jugendliche - ob er noch zur Schule geht oder in der Ausbildung ist - einen solchen Betrag nicht selbst bezahlen kann, wären wieder einmal die Eltern gefordert. Vielen Eltern wird es aber sehr schwer fallen oder sogar unmöglich sein, so viel Geld zusätzlich aufzubringen.
        Und mit diesen Kosten hört es ja nicht auf. Wenn der Jugendliche erst einmal den Führerschein hat, wird er alles daransetzen, um auch ein Auto zu bekommen. Und wenn das gelingt, sind weitere Summen für Versicherung, Steuern, Reparaturen und vor allem Benzin zu bezahlen. Viele Jugendliche, die noch zur Schule gehen, kommen dann auf die Idee, einen Nebenjob anzunehmen, um die Unkosten begleichen zu können. Sie sind dann oft täglich nach der Schule noch für einige Stunden an ihrem zweiten Arbeitsplatz und kommen erst am späten Abend - wenn überhaupt - dazu, sich um die Hausaufgaben zu kümmern. Gerade in dem so wichtigen 10. Schuljahr, bei dem es um das Abschlusszeugnis oder den Übergang in die Oberstufe geht, sind die 16-Jährigen dadurch überlastet und müssen eventuell schlechtere Schulergebnisse in Kauf nehmen. Ob der Besitz eines Führerscheins das lohnt, ist sehr zu bezweifeln.
        Noch eine andere Überlegung spricht gegen den Erwerb eines Führerscheins schon mit 16 Jahren. Aufgrund der bereits genannten Probleme wären es nur einige Jugendliche, die sich über Führerschein und Autobesitz freuen können. Viele andere stehen dagegen nur mit ihren alten Fahrrad da, weil sie sich nichts anderes leisten können. In den Schulklassen oder in den Cliquen werden so bei den erst 15- bis 16-Jährigen unnötigerweise die sozialen Gegensätze verschärft: Die einen können mit ihrem Status als Führerschein- oder sogar Autobesitzer angeben, während andere dem nichts entgegenzusetzen haben. Es ist bekannt, dass gerade bei Jugendlichen dieser Altersstufe Statussymbole ohnehin eine hohe Bedeutung haben und zum Beispiel über das Ansehen eines Schülers in seiner Klasse entscheiden können. Der frühe Führerscheinerwerb könnte solch eine Denkweise unterstützen, da er ein weiteres Statussymbol schafft, das nur wenigen zugänglich ist.
        Das wichtigste Argument, das gegen den Führerschein mit 16 spricht, ergibt sich jedoch aus den damit verbundenen Risiken und Gefahren. Schon jetzt sind es nach den Unfallstatistiken die jungen, unerfahrenen Fahrer, die den höchsten Anteil an den Unfällen haben. Häufig sind Unüberlegtheit und Leichtsinn Unfallursachen. Wenn also schon 16-Jährige Auto fahren dürften, würde gerade diese Art von Unfällen zweifellos stark zunehmen, denn vielen Jugendlichen fehlt es in diesem Alter noch an der nötigen Reife, um vernünftig und vorausschauend zu handeln. Wenn zum Beispiel Jugendliche aus einer Clique gemeinsam Auto fahren, besteht die Gefahr, dass sie sich gegenseitig übertrumpfen oder mit ihren Fahrkünsten angeben wollen und deshalb leichtsinnig werden. Sie fahren schneller und waghalsiger, als es angemessen ist, und es fällt ihnen schwer, leichtsinniges Verhalten zu erkennen und abzustellen. Eine vorsichtige Fahrweise wird im Kreis gleichaltriger Jugendlicher leicht als Ängstlichkeit angesehen, was den jugendlichen Fahrer zu falschem Verhalten verleitet. Eben deshalb dürfte die Einführung des Führerscheins mit 16 den Trend der hohen Unfallzahlen mit Beteiligung jugendlicher Fahrer noch erheblich verstärken.
        Doch gibt es auch viele und wichtige Argumente, die für die Vorverlegung des Führerscheinalters sprechen.
        Zunächst muss man den vorhin dargestellten Einwand der hohen Kosten doch etwas genauer betrachten. Natürlich ist der hohe Preis des Führerscheinerwerbs nicht zu leugnen, doch ergeben sich auch Einsparmöglichkeiten. Fast jede Familie hat heutzutage ein oder sogar zwei Autos. Zumindest am Nachmittag oder Abend kann ein Schüler also ein schon vorhandenes Fahrzeug nutzen, sodass eine zusätzliche teure Anschaffung gar nicht notwendig ist. Auch ist zu bedenken, dass unnütze Ausgaben wegfallen. Denn viele 15- oder 16-jährige Jugendliche möchten etwas komfortabler unterwegs sein als mit einem Fahrrad und geben deshalb Geld für Mofas oder andere motorisierte Zweiräder und die dafür erforderlichen Führerscheine aus. Diese Fahrzeuge werden meist aber bald wieder verkauft, wenn man mit 18 Jahren den Autoführerschein machen kann. Solch ein Verkauf bedeutet aber immer einen Geldverlust, da man diese Zweiräder nur viel billiger wiederverkaufen kann. Könnte man schon mit 16 einen „richtigen" Autoführerschein machen, würden diese Geldausgaben wegfallen.
        Auch andere, wenn auch nicht so hohe Kosten entfallen, wenn ein Jugendlicher mit 16 Jahren selbst fahren darf. Er kann in die Stadt oder zu Freunden fahren, ohne dass Geld für öffentliche Verkehrsmittel gezahlt werden muss, und auch die Eltern, die immer mehrfach fahren müssen, um ihre 16-jährigen Kinder zum Sport, zum Arzt oder zum Einkaufen zu bringen, sparen doppelte Benzinkosten.
        Noch wichtiger sind die folgenden Pro-Argumente:
        Mit dem Auto unterwegs zu sein ist viel sicherer als mit einem Zweirad. Immer wieder hört man von lebensgefährlichen Unfällen, die geschehen, wenn Jugendliche mit ihrem Fahrrad oder Mofa unterwegs sind. Die polizeilichen Statistiken beweisen eindeutig, wie gefährlich das ist, da die Zweiradfahrer zum Beispiel leicht übersehen und dadurch angefahren werden. Auch eine schnelle Fahrweise, wie Jugendliche sie bevorzugen, ist so viel gefährlicher als mit einem Auto, da zum Beispiel schon ein plötzliches Bremsen oder ein leichter Fahrfehler bei einem Zweirad zu einem Sturz und daraus resultierenden schweren Verletzungen führen können. Angeschnallt in einem Auto sitzt der Jugendliche dagegen sicher, er hat vier Räder unter sich, die ihn fest auf der Straße halten, auch wenn er als Anfänger einmal etwas unsicher gefahren ist oder in einer Kurve etwas zu schnell war. Selbst wenn es bei einem Fahranfänger einmal zu einem Unfall kommt - und die Gefahr ist ja nach den Unfallstatistiken bei Jugendlichen tatsächlich groß - ist die Chance, alles gut zu überstehen, in einem Auto beträchtlich höher, da man durch die Karosserie und die Gurte geschützt ist.
        Außerdem würde es der Führerschein mit 16 Jugendlichen erlauben, schon so frühzeitig wie möglich „richtige" Fahrerfahrungen mit einem Auto zu machen. Für einen Radfahrer, der vielfach noch auf Gehwegen oder abgetrennten Radwegen fährt, sieht die Teilnahme am Straßenverkehr doch ganz anders aus als für einen Autofahrer. Oft ist es ja sogar so, dass Radfahrer sich wenig um die Straßenverkehrsordnung kümmern und so fahren, wie es ihnen gerade gefällt. Als Autofahrer würde der Jugendliche dagegen schon frühzeitig lernen und trainieren, dass man sich auf den Straßen auf jeden Fall an die Verkehrsregeln halten muss.
       

Als letztes Argument sollen die vielen Vorteile erläutert werden, die ein frühzeitiger Führerscheinbesitz gerade für Jugendliche hat. Dabei geht es nämlich keineswegs nur um die Bequemlichkeit, zu einer Verabredung schnell mit dem Auto der Eltern fahren zu können. Natürlich ist es angenehm, wenn man Freunde spontan mit dem Auto besuchen kann und in zehn Minuten da ist, während man mit dem Fahrrad eine ganze Stunde brauchen würde. Und es ist auch bequem, im trockenen und warmen Auto zu fahren, statt bei winterlicher Kälte auf den meist verspäteten Bus zu warten. Vor allem jedoch ist wichtig, dass der Führerschein dem Jugendlichen Selbstständigkeit ermöglicht. Er kann nicht nur Verabredungen, sondern auch den Besuch von Sport- oder Theaterveranstaltungen selbst planen, ohne ständig mit den Fragen „Wie komme ich dahin?" oder „Wer bringt mich dahin?" konfrontiert zu sein. Gerade in ländlichen Gegenden, wo die Dichte öffentlicher Verkehrsmittel oft gering ist, hat der Jugendliche häufig gar keine Möglichkeit, irgendetwas zu unternehmen, ohne die Bring- und Abholdienste der Eltern in Anspruch zu nehmen. Der Führerschein verschafft dem 16-Jährigen dagegen eine Unabhängigkeit, die gerade für Jugendliche nötig ist. Denn es gehört ja zur Entwicklung der 14 bis 16 Jahre alten Jugendlichen hinzu, dass sie allmählich lernen, sich von der ständigen Unterstützung durch die Eltern zu lösen, um später als Erwachsene wirklich selbstständig zu sein. Selbst ein Auto fahren zu können, ist zwar nur ein kleiner, aber doch ein wichtiger Teil solcher Selbstständigkeit. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn Jugendliche die Möglichkeit hätten, schon mit 16 Jahren den Führerschein zu erwerben.

         
     

Schluss

        Im Rückblick auf die dargestellten Überlegungen halte ich die Argumente der Pro-Seite für bedeutsamer. Vor allem die letzten beiden Punkte, die von der größeren Sicherheit des Autofahrens und der Selbstständigkeit der Jugendlichen handelten, sind mir besonders wichtig. Demgegenüber erscheinen mir die Argumente der Gegner des Führerscheins mit 16 nicht von so grundsätzlicher Bedeutung. Denn ich denke, dass die Frage der Kosten geregelt werden kann, auch wenn sie für manche ein Problem darstellt: Es genügt ja, wenn zuerst einmal der Führerschein gemacht werden kann, ohne dass sich sofort Überlegungen bezüglich eines Autos anschließen. Und dass in einem Kreis von Leuten, die sich gut verstehen, schon dadurch Probleme auftreten, dass einer bereits ein Auto hat und andere nicht, glaube ich nicht.
        Allerdings sind im Hinblick auf die Sicherheit Jugendlicher die Argumente derer, die sich gegen eine Änderung der bestehenden Regelung aussprechen, ernst zu nehmen. Das Unfallrisiko bei jungen Fahrern würde sich vermutlich wirklich erhöhen, wenn die 16-Jährigen noch als Autofahrer hinzukämen. Vielleicht wäre es doch richtig, Vorschläge aufzugreifen, die 16-jährigen Fahrern Einschränkungen auferlegen. Eine Möglichkeit wäre zum Beispiel, dass die jungen Fahranfänger für die erste Zeit nur in Begleitung eines Elternteils fahren dürfen, damit sie sich sozusagen unter Aufsicht allmählich an die neue Situation gewöhnen und Übung bekommen, bevor sie dann ganz allein fahren. Das, meine ich, wäre ein guter Kompromiss.
           
         
Führerschein mit 16?